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Streit um den Kaisertitel

Kronprinz Friedrich Wilhelm (1831–1888) in einem Tagebucheintrag über ein Treffen des preußischen Staatsrates[1]Treffen aller Minister am 17. Januar 1871: 

„Hauptquartier Versailles, den 17. Januar 1871
Beim König fand nachmittags eine Sitzung statt. (…) in überheiztem Zimmer wurde drei Stunden über den Titel des Kaisers, die Benennung des Thronfolgers, die Stellung der Königlichen Familie, des Hofes und Heeres zum Reich usw. beraten. Hinsichtlich des kaiserlichen Titels bekannte Graf Bismarck, dass bereits bei den Verfassungsbesprechungen die bayerischen Abgeordneten und Bevollmächtigten die Bezeichnung ‚Kaiser von Deutschland‘ nicht hätten zulassen wollen, und dass er endlich ihnen zuliebe, aber allerdings, ohne se. Majestät vorher zu fragen, diejenige eines ‚Deutschen Kaisers‘ zugestanden habe. Diese Bezeichnung, mit welcher gar kein eigentlicher Begriff zu verbinden ist, missfiel dem König ebenso wie mir, und wir taten unser Möglichstes, um an ihrer statt das ‚von Deutschland‘ zu erlangen. Graf Bismarck blieb jedoch dabei. (…)

Die Frage der Reichsfarben erregte wenig Bedenken, da der König nichts Wesentliches gegen eine schwarz-weiß-rote Kokarde[2]Flagge einwandte, umso weniger als, wie er sich ausdrückte, selbige nicht wie die schwarz- rot-goldene aus dem Straßenschmutz[3]Flagge und Farben der deutschen Revolutionäre von 1848, die gegen die Monarchie protestiert haben erstiegen wäre. (…)

Je deutlicher sich nun aber die Konsequenzen von ‚Kaiser und Reich‘ im Lauf der Verhandlungen zeigten, desto aufgebrachter wurde der König. schließlich brach er in die Worte aus, nur ein Scheinkaisertum übernähme er, nichts weiter als eine andere Bezeichnung für ‚Präsident‘; (…) Ferner sagte er in äußerster Aufregung, er könne uns gar nicht schildern, in welcher verzweifelten Stimmung er sich befände, da er morgen von dem alten Preußen, an welchem er allein festhielte und fernerhin auch festhalten wollte, Abschied nehmen müsste. Hier unterbrachen schluchzen und Weinen seine Worte. (…)“

Quelle: zitiert nach: Johannes Hohlfeld: Deutsche Reichsgeschichte in Dokumenten 1849–1926, 2 Bde. Berlin 1927, Bd. 1, S. 69–76

References

References
1 Treffen aller Minister
2 Flagge
3 Flagge und Farben der deutschen Revolutionäre von 1848, die gegen die Monarchie protestiert haben
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Kommt es unter einen Hut?

Karikatur aus „Kikeriki“, Wien, 22.08.1870

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Proklamierung des Deutschen Kaiserreichs

Die Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm zu Deutschen Kaiser Wilhelm I. im Spaiegelsaal von Versailles. Gemalt 1885 von Anton von Werner

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:A_v_Werner_-Kaiserproklamation_am_18_Januar_1871(3._Fassung_1885).jpg

Anton von Werner beschreibt in seinen Erinnerungen die Vorgänge am 18. Januar 1871

„Ich begab mich um 11 Uhr ins Schloss (…). Und nun ging in prunklosester Weise und außerordentlicher Kürze das große historische Ereignis vor sich, das die Errungenschaft des Krieges bedeutete: die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches! (…) Der Vorgang war gewiss historisch würdig, und ich wandte ihm meine gespannteste Aufmerksamkeit zu, zunächst natürlich seiner äußeren malerischen Erscheinung, notierte in aller Eile das Nötigste, sah, dass König Wilhelm etwas sprach und Graf Bismarck mit hölzerner stimme etwas Längeres vorlas, (…) und erwachte aus meiner Vertiefung erst, als der Großherzog von Baden neben König Wilhelm trat und mit lauter Stimme in den Saal hineinrief: ‚seine Majestät, Kaiser Wilhelm der siegreiche, er lebe hoch!‘ ein dreimaliges Donnergetöse unter dem Geklirr der Waffen antwortete darauf (…).

Der historische Akt war vorbei (…), und ich sah dann den Kaiser die Stufen der Estrade hinabschreiten, an Bismarck vorbei, den er nicht zu bemerken schien. Neun Jahre später (…) gab mir Fürst Bismarck die Erläuterung zu dieser kleinen Episode, die ich damals dem nach Schluss des Staatsaktes entstandenen Durcheinander der sich auflösenden Versammlung zuschrieb.“

Quelle: Anton von Werner: Erlebnisse und Eindrücke, 1870–1890. Berlin 1913, S. 31ff.
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„Kaiser von Deutschland“?

Otto von Bismarck (1815–1898) über die Ereignisse vor und während der Kaiserproklamation am 17. und 18. Januar 1871:
„In der Schlussberatung am 17. Januar lehnte er [König Wilhelm] die Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von Deutschland oder gar nicht Kaiser sein. (…) Die Erörterung der Titelfrage kam zu keinem klaren Abschluss. (…)

Diese Sachlage veranlasste mich, am folgenden Morgen, vor der Feierlichkeit im Spiegelsaale, den Großherzog von Baden aufzusuchen als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich nach Verlesung der Proklamation das Wort nehmen würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Der Großherzog antwortete ‚als Kaiser von Deutschland, nach Befehl sr. Majestät.‘(…)

Ich war bei Verlesung der Proklamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, dass er ein Hoch weder auf den Deutschen Kaiser noch auf den Kaiser von Deutschland, sondern auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte. Se. Majestät hatte mir diesen Verlauf so übel genommen, dass er beim Herabtreten von dem erhöhten Stande der Fürsten mich, der ich allein auf dem freien Platze davor stand, ignorierte, an mir vorüberging, um den hinter mir stehenden Generälen die Hand zu bieten, und in dieser Haltung mehrere tage verharrte (…).“

Quelle: Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Mit einem Essay von Lothar Gall. Darmstadt 1998, S. 360–362